1000 Jahre Moosgarten (I)

Der Mooswald im Bereich den heutigen Landwasser war als sumpfiges Waldgebiet für lange Zeit kein Raum, der sich zur Besiedlung anbot: schon allein wegen der Mücken, die nicht nur lästig, sondern in früheren Zeiten auch noch viel stärker Krankheits-Überträger waren. Als Beitrag zur Festschrift “25 Jahr Freiburg-Landwasser” (1991) erarbeitete Rolf Eilers einen Rückblick auf die früheren Jahrhundert der Nutzung des “Moosgartens”, also des Bereichs, im dem heute der Stadteil Freiburg-Landwasser liegt (Einzelexemplare der Festschrift im Archiv des Bürgervereins). Nachfolgend Auszüge aus dem Beitrag von Rolf Eilers (hier Teil 1).


Das sumpfige Mooswaldgebiet

Bis zur Gründung unseres Stadtteiles Landwasser im Mai 1966 konnte das sumpfige Mooswaldgebiet nie besiedelt werden. Selbst im Rahmen der Völkerwanderung und der alemannischen Landnahme im 4. bis 5. Jahrhundert bot der Mooswald „keine günstigen Voraussetzungen zur Entwicklung einer intensiven Siedlungs-und Kolonisationstätigkeit“, berichtet Dr. Helmut
Brandl in seiner Dissertation „Der Stadtwald von Freiburg“.

Auf die erste urkundliche Erwähnung stoßen wir im Jahre 1008. Damals verlieh König Heinrich II. (973—1024, 1002 Kaiser) dem Bischof von Basel, namens Adalbero, und dessen Kirche den Wildbann in einem Teil des Auwaldes der Freiburger Bucht. Der räumliche Umfang wurde in der Urkunde genau festgelegt. Die Grenze verlief von Tiengen über St. Georgen, Wiehre, Adelhausen, Herdern, Zähringen, Gundelfingen, Vörstetten, Reute, Bötzingen, Gottenheim, Waltershofen, Opfingen. Hierbei ist zu bedenken, daß alle Siedlungen damals nur aus wenigen Höfen bestanden, so daß die Inanspruchnahme von Feld und Wiesen wie auch Brenn- und Bauholz sehr gering war; der Waldsaum reichte im 11. Jahrhundert noch sehr nahe an die Dörfer heran.

Spätestens im Jahre 1079 gelangte der Mooswald in den Besitz des Herzogs Berthold II. von Zähringen. Die Herzöge von Zähringen waren als Vögte und Verwalter des Reichsgutes im Breisgau berechtigt, den Bürgern der Stadt Freiburg Rodungsbezirke zur Anlegung von Feldern und Waldnutzungsbezirke zuzuweisen. Da der Holzbedarf der umliegenden Gemeinden damals sehr gering war, gab es auch noch keine festen Gemarkungsgrenzen. Erst nachdem das vor den Stadtmauern liegende Eschholz weitgehend abgeholzt war, mußte noch lange vor dem Aussterben der Herzöge von Zähringen ım Jahre 1218 der Mooswald als letzte Reserve der Stadt zugeteilt werden.

Eine systematische Holznutzung setzte im Mooswald allerdings erst im Jahre 1554 ein, Sie diente fast ausschließlich zur Versorgung der Stadtverwaltung und der städtischen Bediensteten mit Brennholz. Das „Moosholz“ wurde im Winter gehauen, konnte jedoch wegen der starken Überschwemmungen im Frühjahr stets erst im Sommer in die Stadt transportiert werden. Durch
diese lange Lagerung gab es Holzverluste, die unter der Rubrik „im Mooswald Holz aus dem Wasser tragen“ als „Abgang“ verbucht worden sind.

Mooswald-Nutzung in vergangenen Jahrhunderten

Über die weitere geschichtliche Entwicklung berichtet Helmut Brandl in seinem Aufsatz „Vom Wert des Mooswaldes gestern, heute und morgen“ im „Freiburger Almanach“ 1973: „Wenn man noch heute alte, mächtige Eichen mit weitausladenden Kronen im Mooswald findet, so steht man vor den letzten Zeugen einer alten Form der städtischen Waldnutzung, die im 12. und 13. Jahrhundert ihren Anfang nahm. Bereits in jener Zeit hatte sich die Stadt das volle Eigentum an diesem großen Waldgebiet vor ihren Toren gesichert und konnte nun die Nutzung nach ihren Bedürfnissen regeln.

Ausgangspunkt der Nutzung des Mooswaldes war ein besonderes Produkt dieses Auewaldgebietes: die Eichen lieferten mit ihren Früchten ein gesuchtes Mastfutter für die Schweine, die im Mittelalter bis ins 17. und 18. Jahrhundert in den Haushaltungen der Freiburger Bürger gehalten wurden. Die Behandlung des Waldes wurde daher darauf abgestellt, eine möglichst ergiebige „Eichelmast“ zu erzielen. Dies bedeutete eine strikte Schonung der Eichen, die zu mächtigen, 200- bis 300jährigen Bäumen heranwuchsen. Das Unterholz wurde zur Gewinnung von Brennholz und zur Schaffung von zusätzlichen Weidemöglichkeiten für das Rindvieh in regelmäßigen Abständen (etwa alle 10 bis 30 Jahre, im Durchschnitt alle 24 Jahre) auf größerer Fläche (sogenannten Schlägen) herausgehauen. Dieses System der Waldnutzung wurde im Laufe der Zeit zu einer besonderen Form der Waldwirtschaft, der sogenannten Mittelwaldwirtschaft, entwickelt.

Genaueren Einblick in diese Waldnutzung mit Schweineeintrieb im Herbst, Rindviehweide im Frühjahr und Sommer und Holznutzung im Winter geben Aufzeichnungen im Stadtarchiv aus der Zeit nach 1540.“ In der Blütezeit des Schweinebetriebs im 16. Jahrhundert wurden jährlich bis zu 1000 Schweine zehn Wochen lang in den Mooswald getrieben und sogar aus Städten wie Kenzingen und Rheinfelden hertransportiert. Daher war das Fällen von Eichen schon 1435 unter Strafe verboten. Zur Nachzucht wurde sogar ein „Eichelgarten“ angelegt.

Durch die Eichelmast konnte dem Schweinefleisch die erforderliche Würze verliehen werden, denn die aus orientalischen Ländern importierten Gewürze waren für den Normalbürger viel zu teuer. Erst durch die Einwanderung italienischer Handelsleute vom Comer See nach Südwestdeutschland ab etwa 1680 konnten neben Südfrüchten, Kaffee und weiteren Delikatessen auch die notwendigen Gewürze zu erschwinglichen Preisen eingekauft werden. Während Helmut Brandl den Rückgang der Eichelmast nach dem dreißigjährigen Krieg auf einen Klimawechsel in Mitteleuropa zu mehr kühlfeuchtem Wetter zurückführt, sehe ich die Ursachen eher in dem einsetzenden Gewürzhandel.

Auch nach der Aufgabe der Eichelmast im Mooswald wurde die Mittelwaldwirtschaft weitergeführt und ım 19. Jahrhundert im Zuge der Einführung geordneter Forstwirtschaft systematisch betrieben mit dem Ziel, starkes und wertvolles Eichenholz zu erzeugen, das durch den zusätzlichen Export nach Holland auf dem Rhein außerordentlich an Wert gewann.
Zunächst mußten allerdings die Voraussetzungen für einen effektiven Abtransport des Holzes geschaffen werden. In einem Gutachten, das der Geometer Johann Georg Meyer im Auftrag der Stadt 1781 abgab, schlug er zur Verbesserung der Forstwirtschaft eine Entwässerung durch Sammlung aller von der Stadt kommenden Bäche und deren Ableitung nach Norden vor. Erst im Jahre 1793 wurde von dem Waldmeister Alois Wannenmacher und seinem Adjunkt Peter Zähringer ein Plan zur Trockenlegung und Erschließung des Mooswaldes durch den Bau einer Richtstatt quer durch den ganzen Wald vorgelegt. Der Wegkörper sollte erhöht sein, die Weggräben sollten als Abzugsgräben gebaut werden. Das Vorhaben wurde 1794 in Angriff genommen und im Jahre 1808 zu einem Teil fertiggestellt. Damit wurde ein wesentlicher Schritt zur Verbesserung des versumpften Mooswaldes getan.

In einem Bericht „Summarische Visitation der Waldungen“ vom Juli 1850 wird lobend ausgeführt: „Der Mooswald ist seiner Länge nach von einem Hauptabfuhrweg durchschnitten. Auf ihn münden die Entwässerungsgräben, welche sowohl als Schlaglinien als auch als Abfuhrwege dienen und hierzu ganz gut eingerichtet sind. Solches ist zwar ungewohnt und eigenthümlich, aber sehr praktisch, und es darf deshalb nichts geschehen, als diese nützliche Einrichtung beizubehalten.“ Seitdem führt der Fahrweg von Landwasser-Mitte nach Gundelfingen den Namen „Große Richtstatt“: die Holzstämme wurden auf den im Frühjahr mit Hochwasser gefüllten Gräben zur „Großen Richtstatt“ geflößt und dort zum Abtransport gerichtet.

„Erst nach 1900 wurde im Mooswald die vorsichtige Überführung der Mittelwaldbestände in Hochwald eindabei auf zwei Wegen: die geringwertigsten Bestände wurden eingeschlagen und die Flächen neu angepflanzt, während jüngere, besser veranlagte Bestände durch Pflegeeingriffe langsam in Hochwald überführt wurden. 1960 waren bereits rund 95 Prozent aller Bestände Hochwald“, führt Helmut Brandl aus.


Auszug aus Festschrift “25 Jahr Freiburg-Landwasser” (1991), erarbeitet von Rolf Eilers ( weiter zu Teil 2  ).