1000 Jahre Moosgarten (II)

Der Mooswald im Bereich den heutigen Landwasser war als sumpfiges Waldgebiet für lange Zeit kein Raum, der sich zur Besiedlung anbot: schon allein wegen der Mücken, die nicht nur lästig, sondern in früheren Zeiten auch noch viel stärker Krankheits-Überträger waren. Als Beitrag zur Festschrift “25 Jahr Freiburg-Landwasser” (1991) erarbeitete Rolf Eilers einen Rückblick auf die früheren Jahrhundert der Nutzung des “Moosgartens”, also des Bereichs, im dem heute der Stadtteil Freiburg-Landwasser liegt (Einzelexemplare der Festschrift im Archiv des Bürgervereins). Nachfolgend Auszüge aus dem Beitrag von Rolf Eilers (Teil II):

Der Einfluss des Wassers

Über die geologische Lage von Landwasser hat Otto Scheuring im „Landwasserboten“ Nr.3 vom August 1968 berichtet: „Die Gewässer des Höllentals haben ım Laufe der Zeit gewaltige Schuttmassen aus dem Schwarzwald herausgeschleppt. Die Vorberge der Freiburger Bucht zwangen zur Ablagerung, so daß sich ein von Ost nach West abfallender Schutthang bildete. Zwischen Freiburg und Hugstetten besteht eın Höhenunterschied von 64 Metern. Es ist daher begreiflich, daß sich das Wasser im Gebier unseres Stadtteils staute und das Land versumpfte. In mehrere Arme geteilt durchfloß die Dreisam das Gebiet und änderte bei jedem Hochwasser den Lauf. “Auch die beiden Lehener Wasserschlösser lagen im Bereich eines solchen Wasserarmes, der östlich des Lehener Berges entlang durch unsern heutigen Stadtteil floß.

Mooswald mit Lehen und Betzenhausen. Ausschnitt vom Korntawer-Plan von 1608 (Stadtarchiv Freiburg)

Dies änderte sich erstmals, als die Franzosen bei der Belagerung Freiburgs das Wasser der Dreisam abgruben und umleiteten, und dann für immer in den Jahren 1817 bis 42 mit der Regulierung des Flusses. Bis dahin waren ausgedehnte Flächen längs der Dreisam Odland, bedeckt mit Sand, Geröll und wildem Gestrüpp. Der östliche Dreisamarm war noch bis vor 150 Jahren erhalten. Er wurde mit einem Damm abgeriegelt, dem heutigen Weg von der katholischen Kapelle zum Lehener Berg (Weiherweg), und zu zwei Seen aufgestaut, dıe von den Freiburgern als Fischweiher verwendet wurden. Beide sind heute ausgetrocknet. Nur noch der Lehener Gewann-Name Weiher weist darauf hin, wie auch die Flurbezeichnung Krist Hinweis auf das Strauch- und Sumpfgelände gibt. Um einige alte Eichenbestände siedelte sich ein lichter Auwald an, durchsetzt mit freiem Wiesengelände, das den Freiburgern zur Viehweide diente.

Für die Lehener war das Gewann unterhalb des Bergles der „Sauwasen“. Der Name läßt den Verwendungszweck unschwer erkennnen, Die erste urkundliche Erwähnung des Namens „Landwasser“ findet sich im ersten Gemarkungsplan der Stadt Freiburg, welcher im Jahre 1608 von dem Apotheker Dr. Job Korntawer im historischen Kassenraum der Sparkasse Freiburg an die Wand gemalt worden ist. In der Beschreibung hat Dr. Korntawer dazu festgehalten: „Zwischen solchen beiden steinen (Grenzsteine) gehet die landstraße und das Landwasser am Vogelbächlin dem Hunberg (Lebener Bergle) zur.“ Die „Landstraße“ ist mit der Führung der heutigen Elsässer Straße identisch und wird urkundlich ab 1432 als „Landweg“ erwähnt. Dagegen stoßen wır auf die Existenz des Landwasserbaches erstmals in einer Grenzbeschreibung von 1582: „Vonn dannen hinauf biß an Rechten Landtweg stöht aber ein marckhstain am Bechlin hat Zwey Creiß.”

Daraus ist der Schluß zu ziehen, daß der neben der Landstraße fließende Bach mit der Zeit den Namen „Landwasser“ bekam, während der Mooswald ım Bereich des Stadtteils Landwasser stets als „Moosgarten“ bezeichnet wurde. Für den Bach erscheint die Bezeichnung „Landwasser“ in den Grenzbeschreibungen erst ab 1722 regelmäßig. Allerdings hat Dr. Korntawer auf seinem Gemarkungsplan das „Landwasser“ mit dem „Landweg“ versehentlich verwechselt. Deutlich erkennbar ist ım Bereich des heutigen Specht-, Häher- und Eulenwegs eine Wiesen matte namens „Lehmerwinkel“. Sie ist seit 1544 urkundlich belegt und wurde von den Bauern in Lehen sicherlich – als Viehweide genutzt, zumal das früher durchfließende Eichbächlein 1752 auch als „Herdeichbächlein“ erwähnt wird.

Der nächste Gemarkungsplan wurde im Jahre 1644 von einem französischen Kartographen hergestellt: „Carte des environs de Fribourg pour Pintelligence de la campagne d’ Allemagne“. Auf ihm ist erstmals zwischen dem Lehener Bergle und dem Landweg ein recht großer See eingetragen, der im Korntawer-Plan von 1608 noch fehlt, aber die Angaben von Otto Scheuring insoweit bestätigt.

Unter den Fischerei-Akten des Stadtarchivs Freiburg befinden sich Archivalieznur Entstehung und späteren Trockenlegung. Am 26. 12. 1604 machte der Amtmann und Schaffner Ulrich Schnell eine schriftliche Eingabe an den Stadtrat: Schon vor etlichen Jahren seı über die Anlegung eines Fischweihers in dem hinter der Lehener Kirche gelegenen großen „Morastbezirk“ beratschlagt worden, der „weder Leuth noch dem Vieh dienlich, auch nit zu Beholzung noch der Weydt zu gebrauchen“ sei. So wird auf etliche kleine, in Günterstal bereits angelegte Fischweiher hingewiesen. Im Morastgebiet seien mehrere Brunnenquellen vorhanden, die nur gefaßt werden müßten.

Am 14. 2. 1617 mußte der Amtmann Ulrich Schnell den Stadtrat nochmals an seinen alten Vorschlag erinnern, ehe mit der Planung ernsthaft begonnen wurde. Nach dem erhaltenen Bauplan sollte der See an seiner vorderen Staumauer im Westen 670 Schuh (= 212 m) lang werden, an der nördlichen Seite eine Länge von 1060 Schuh (= 336 m) und an der Hinterseite im Osten sogar eine Länge von 1440 Schuh (= 456m) erhalten. Bei dieser Größe hätte der See durchweg die heutigen Wendeschleifen von Specht-, Häher- und Eulenweg erreicht. Tatsächlich endete er aber hinter dem AWOSeniorenheim, wo das Ende der nördlichen Staumauer mit einem Bogen nach Südwesten noch sichtbar ist und anschließend ein Waldweg entlang großer Eichen Richtung Lehener Bergle führt. Der Fischweiher wurde folglich nur halb so groß ausgeführt wie geplant.

Die Arbeiten für die Errichtung der beiden Staumauern mit Hilfe von Handwerkern und 30 Arbeitern dauerten von 1619—22. Aus den ab 1788 erhaltenen Abrechnungen ist ersichtlich, daß Hechte, Karpfen und zeitweise auch Schleie darin gezüchtet wurden. Alle drei Jahre wurde der See vom städtischen Fischermeister mit Netzen „ausgefischt“, der Verkauf erfolgte in der Fischerau. Anschließend gelangten neue „Sez-Fische“ vom „Birkenreute-Weier“ in das Fischwasser. Birkenreute war ein städtischer Gutshof auf der Gemarkung Kirchzarten am Zastlerbach, hinter dem Segelflug-Gelände gelegen. Außer: den gefaßten Brunnenquellen erfolgte die Wasserzufuhr durch den Vogelbach, das Eichbächle (in Höhe des Spechtwegs) sowie das ab 1749 erwähnte Weiherbächle
(in Höhe des Häherwegs).

Gewann-Namen und Beschreibung

In einem „Grundriß des Moosforstes der Großherzoglichen Stadt Freiburg“, der 1807 von Martin Duschuneck ausgeführt wurde, werden auch erstmals die Gewann-Namen von Landwasser ab 1772 genannt, die bis zur Bebauung im Herbst 1964 erhalten geblieben sind. So lag der Stadtteil Landwasser-Süd zwischen EIsässer Straße und Lehener Bergle im Gewann Rotschachen. Matthias Lexers Mittelhochdeutsches Taschenwörterbuch (1976) erklärt den „Schachen“ als einzeln stehendes Waldstück oder Vorsaum eines Waldes, während die hiesigen Historiker darunter auch einen „lichten
Wald“ verstehen. „Rotschachen“ deutet mit Rücksicht auf den sehr feuchten Boden im Mooswald auf den Wuchs von Roterlen hin.

Aus der Gewannbeschreibung von Martin Duschuneck geht hervor, daß der Moosweiher und das westliche Wohngebiet von Landwasser bis etwa in Höhe der Tankstelle „Hagenmatt-Schachen“ genannt wurden und ‘aus „Eichwald und Waid“ bestanden. Am Rande lag das „Rustikal-Mättle“, das flächenmäßig weitgehend mit dem Sportplatzgelände identisch ist. Schon damals wurde esals „Privatgrund“ mit einer Größe von 108 ar von Bauern aus Lehen als Wiese genutzt, lag aber noch auf Freiburger Gemarkung. Erst aufgrund des „Gesetzes über die Sicherung der Gemarkungs-, Gewann- u. Eigenthumsgrenzen“ des Großsherzogthums Baden vom 20.4.1854 wurde das Wiesengelände durch Vertrag vom 11.9.1884 ab 1.1.1885 an dıe Gemeinde Lehen abgetreten. In dieser Zeit mußten überall die Gemeindegrenzen, die willkürlich landwirtschaftlich genutzte Grundstücke durchschnitten, den Grenzen der einzelnen -Privatgrundstücke angepaßt werden. Dadurch sind die
winkeligen Gemarkungsgrenzen bis zum heutigen Tag geprägt. Zuletzt wurde das „Rustikal-Mättle“ im Spätsommer 1969 als Kuhweide genutzt, bevor es der Sportgemeinschaft Landwasser zur Nutzung übertragen worden ist.

Im Jahre 1790 wurde von Freiburger Bürgern die „Bürgerliche Beurbarungsgesellschaft“ gegründet. Sie hatte sich zum Ziel gesetzt, durch Ziehung von Wassergräben sumpfiges Wiesengelände ım Westen der Stadt zu entwässern und durch Trockenlegung der landwirtschaftlichen Nutzung zuzuführen. Auf diese Weise wurde im Jahre 1801 auch das Wohngebiet vom westlichen Moosweiherrand bis etwa zur Auwaldstraße 60 und bis zum „Roten Otto“ saniert und erhielt den Namen „Landwasser-Matte“. Diese Bezeichnung hat schließlich unserem Stadtteil den Namen
verliehen. Der Landwasser-Bach spielte eine unbedeutende Rolle. Ohne die realisierte Einführung der Gewann-Namen könnte unser Stadtteil die historische Bezeichnung „Moosgarten“ führen. Wäre nach Einführung der Gewannbezeichnungen die Wiesensanierung nicht erfolgt, würde unser Stadtteil jedoch „Rotschachen“ heißen.

Plan Mooswald 1841 (Stadtarchiv M 31)

Der Bereich der heutigen Baumschule Clemens Vonderstraß lag ebenfalls bis 1812 auf Freiburger Gemarkung und wurde zusammen mit dem Fischweiher als „Herrschaftlicher Weier und Foersterswiesen“ bezeichnet. Denn damals war der „Lehener Weyer“ — wie er sonst genannt wurde — nicht umwaldet, sondern von einem gepflegten Wiesensaum umgeben. Der südliche Teil von Landwasser vom „Ladenzentrum“ bis zum Bereich der Bundschuhhalle bestand aus Erlenwald, durchsetzt mit Eichen und Pappeln.

Aber schon vor der Sanierung der „Landwasser-Matte“ wurde der Bachname vor 1772 auf ein anderes Gebiet übertragen. Es handelt sich um den Walddistrikt „Landwasser-Winkel“, den Bereich gegenüber dem Moosweiher, nördlich der Elsässer Straße. Er war mit Erlen und Eichen bewachsen und wurde teils als Weide genutzt. Im Bereich des Wohngebiets von Landwasser-Mitte befand sich auch eine Baumschule für Eichen. Dagegen zählte der Bereich vom Berufsbildungszentrum bis zum Diakoniekrankenhaus zum Gewann „Lachen“, der ausschließlich mit Erlen bewaldet war. Außerdem war das gesamte Gebiet von Landwasser-Mitte vom Landwasser-Bach durchzogen.

Zur besseren Orientierung rechts ein Ausschnitt aus dem „Plan über den der Stadt Freiburg gehörigen Mooswald, aufgenommen 1841 von Geometer J. G. Widmann“ (Stadtarchiv M 31).

Darauf kann man die ehemaligen Gewann-Bereiche vor der Bebauung von Landwasser und den durch Waldwege begrenzten früheren Fischweiher recht gut erkennen; ebenso die 1882 eingeweihte Breisacher Bahnlinie mit dem Bachverlauf des „Landwassers“, der jetzt noch hinter der Böcklerstraße bis zur Markwaldstraße zu finden ist. Die frühere Waldgrenze habe ich durch eine gestrichelte Linie kenntlich gemacht. Außerdem ist der Verlauf von Auwaldstraße, Bussardweg, Eulenweg, Moosgrund und Wirthstraße durch eine Linie nachgetragen worden, ebenso der Umfang des Moosweihers.


Auszug aus Festschrift “25 Jahr Freiburg-Landwasser” (1991), erarbeitet von Rolf Eilers ( weiter zu Teil 3  ).