Die Spitzmaus

Für viele sind Mäuse ein Graus. Da werden vermutlich auch keine Unterschiede gemacht und alle Mausähnlichen über einen Kamm geschoren bzw. den Nagezahn. Dabei wissen auch unsere Mäusejäger Nr. 1, die Katzen, dass es eine ganz besondere „Mausgattung“ gibt. Sie schmeckt nicht, riecht komisch und hat einen seltsamen Rüssel. Es ist die Spitzmaus, die mit den herkömmlichen Nagetieren nichts gemein hat.  Auf meinen Fotos sehen Sie eine Hausspitzmaus (Crocidura russula). Maus und Spitzmaus sind nicht einmal miteinander verwandt, denn Spitzmäuse gehören zu den Insektenfressern und sind daher nah verwandt mit Igel und Maulwurf. Schon in den 40er Jahren wollte die „Deutsche Gesellschaft für Säugetierkunde“ das Image der sehr nützlichen Spitzmaus verbessern und sie in die zoologisch schlüssigere und auch ältere Bezeichnung „Spitzer“ umbenennen. Dies wurde  allerdings von Adolf Hitler höchstselbst verhindert. Die Androhung eines „längeren Aufenthaltes in Baubataillonen an der russischen Front“ zeigte seine Wirkung und somit berichte ich auch heute noch von der Spitzmaus und nicht vom Spitzer. Schade, Spitzer klänge auch lustig.

Die Spitzmäuse sind drollige, sechs bis maximal zehn Zentimeter kleine Tierchen, die zumeist als Einzelgänger unterwegs sind. Auch sind sie stark territorial und markieren ihr Revier mit einem unangenehm riechenden Sekret. Auch mein kleiner Besuch im Eimer hat definitiv nicht nach Rosenblüten geduftet. Diesen hatte er sich übrigens selbst ausgesucht. Der kleine Kerl lebt bei mir im Bananenstauden-Beet, und die Eimer dienen dem Winterschutz der Pflanzen. Schnell ein Fotoshooting mit ihm oder ihr gemacht und dann wieder ab in die Freiheit! Mein Garten scheint perfekt, da er sehr naturbelassen ist. Sie lieben Laub-, Stein- und Asthaufen. Dort bringt die Spitzmaus-Mama mehrmals im Jahr bis zu zehn nackte kleine Babys zur Welt, die schon nach drei Wochen selbstständig werden und sich ein eigenes Territorium suchen. Zuvor werden sie aber sehr fürsorglich von Mama versorgt. Bei Gefahr trägt sie die ganz kleinen im Genick, so wie Katzen es machen. Sind sie schon etwas älter und mobil, formiert sie alle zu einer Spitzmaus-Karawane: jeder packt den Vordermann mit dem Mäulchen am Hinterteil, allen voran die Mutter und los geht’s im Gänsemarsch. Oder wohl eher im Spitzmausmarsch. So geht keines unterwegs verloren.

Leider werden sie meist nicht älter als ein Jahr. Falls doch, droht ihnen der Hungertod, denn die Zähnchen wachsen nicht nach wie beim Nager und sie verhungern dann kläglich. Apropos verhungern: die kleinen Gesellen haben einen ordentlichen Appetit. Sie müssen täglich das doppelte ihres Eigengewichtes vertilgen, da sie permanent wie auf Speed sind und die Energie gleich wieder verbrennen. Nicht umsonst werden sie von Zoologen „Mägen mit Zähnen“ genannt. Ein Traum für jeden Menschen: essen so viel man will, ohne Folgen auf der Waage. Zumindest mir würde das gefallen.

Aber für Spitzmäuse ist das natürlich permanenter Stress, immer auf der Suche nach Insekten, Würmern, Asseln und Spinnentieren zu sein. Das dürfte auch ein Grund ihres frühen Ablebens sein. Aber immerhin gibt es spitzmausähnliche Säugetiere seit dem Eozän – sie sind also womöglich noch den letzten Dinosauriern um die Beine gewuselt.

Und zum Abschluss habe ich noch einen kuriosen Zusammenhang zwischen der Spitzmaus und der Osteoporose-Forschung für Sie!

Man hat vor nicht allzu langer Zeit herausgefunden, dass Spitzmäuse, die keinen Winterschlaf halten, eine andere Strategie entwickelt haben um gut durch den Winter zu kommen. Futter ist knapp, sie finden nicht genug zum überleben und so schrumpfen sie ihren Körper im Winter um 20 Prozent! Und nicht nur das Gewebe, sondern auch die Knochen. Und als wäre das nicht schon ein kleines Wunder: dieser Zustand ist reversibel, im Frühjahr wächst alles wieder nach. Dass dies natürlich die für die Medizin von Interesse ist, liegt auf der Hand.

Nun, vielleicht habe ich Sie mit meiner Begeisterung für die kleinen Pelztierchen anstecken können und Ihren Blick geschärft für alles, was da so kreucht und fleucht bzw. nagt und knabbert…

Stefanie Pietsch

Quellen: Zwei Balinger NABU-Experten erklären, was die Spitzmaus mit Osteoporose zu tun hat (zak.de), Spitzmaus – BUND Hessen (bund-hessen.de), Spitzmäuse – Wikipedia


Ein Beitrag in den LW-Nachrichten, Ausgabe 500 (April/Mai 2023)