St. Petrus Canisius – ein Architekturdenkmal in Landwasser

Jeder kennt sie, die Betonbauten der 1960er und 1970er Jahre. Eine besondere Form ist der „Brutalismus“- eine in den 1950er Jahren in Großbritannien begründete Architekturrichtung der Nachkriegsmoderne, die mit expressiven Gebäudeformationen aus rohen Materialien wie Beton, Stahl und Holz eine kompromisslose Formensprache hervorbrachte. Im Zentrum stand das Londoner Architekturbüro von Peter „Brutus“ Smithson und Alison Smithon. Vermutlich kommt der Begriff des Brutalismus aus der Kombination ihrer Vornamen (Brutus + Alison = Brutalism). Wahrscheinlich aber prägte der weltberühmte Architekt und Designer Le Corbusier den Begriff Brutalismus mit dem Baustoff Beton (Bétonbrut, den französischen Ausdruck für Sichtbeton). Vor allem in den 1960er und 1970er Jahren wurden von Beton geprägte Großsiedlungen gebaut. Im Allgemeinen verbindet der interessierte Laie unter der Begriff „Brutalismus“ Sichtbetonbauten von monumentalen Ausmaßen, die ohne Sensibilität die Ortszentren sprengen. Ein Inbegriff von Zementmasse und Tristesse! Dazu kommt, dass viele Gebäude baufällig und vom Abriss bedroht sind. Brutalismus wird oft gleichgesetzt mit Hässlichkeit. Das schlechte Image aber kommt vor allem daher, dass die Gebäude in den vergangenen Jahren schlecht gepflegt wurden.

Im Oktober 2015 starteten das Deutsche Architekturmuseum (DAM) in Frankfurt am Main und die Wüstenrot Stiftung das Projekt „SOS Brutalismus“, um das
Denkmalbewusstsein für brutalistische Bauten zu aktivieren. Oder kurz zusammengefasst: Rettet die Betonklötze!

Nein, ich spreche an dieser Stelle nicht vom Einkaufszentrum (EKZ), denn dieses Gebäude ist bereits Geschichte. Das EKZ mag vielleicht für den ein oder anderen Betrachter brutal gewirkt haben. Es war aber wohl eher kein brutalistischer Gebäudekomplex. Aber es fügte sich dennoch in ein Gebäudeensemble ein, das das Zentrum von Landwasser prägte. Die EKZ-Baustelle legt aber gerade jetzt den Blick auf ein besonderes Architekturdenkmal frei, die Kirche St. Petrus Canisius als ein herausragendes Beispiel des Brutalismus im Kirchenbau.

Im Zuge der neu entstandenen Wohnsiedlung Landwasser auf der grünen Wiese wurde die Kirche St. Petrus Canisius vom Karlsruher Architekten Rainer Disse (*1928 – † 2008) zwischen 1968 und 1970 gebaut, eine grundlegende Sanierung erfolgte im Jahr 1986. Disse war vorwiegend im Kirchenbau tätig und sein bevorzugter Baustoff war Beton, was auch an der Kirche St. Petrus Canisius das vorherrschende Material darstellt. Auch wenn das EKZ nicht mehr steht, kann man doch sehen, wie unauffällig sich die Kirche in das Ensemble der es umgebenden Wohnbauten einfügt.

Die Kirche zählt übrigens mit dem Gemeindezentrum, angrenzendem Pfarrhaus und Kindergarten zu den Kulturdenkmälern Baden-Württembergs!

In Freiburg-Brühl steht eine weitere Kirche von Rainer Disse, die Kirche St. Elisabeth (gebaut 1962 – 1964). Als Kirche wird diese allerdings nicht mehr genutzt und stand als hoffnungsloser Sanierungsfall kurz vor dem Abriss. Eine Immobilienfirma entschied sich um 2010 zum Umbau zu Eigentumswohnungen. Die architektonische Konstruktion des vom Architekten Disse gestalteten Kirchenbaus blieb dabei aber weitgehend erhalten, wie z.B. die denkmalgeschützten Außenmauern der Kirche. Auch in manchen Wohnungen finden sich noch Elemente der früheren Kirche. Die Badische Zeitung berichtete mehrfach darüber.

Die Kirche St. Petrus Canisius ist ein besonderes architektonisches Wahrzeichen in Landwasser.

Dr. Klaus Pietsch

Quellen: www.wuestenrot-stiftung.de (#SOSBrutalism), Badische Zeitung vom 18. März 2013, Heft „Denkmalpflege in Baden-Württemberg“ (01/2020), Broschüre „50 Jahre Landwasser“ (2016)


Ein Beitrag aus Landwasser-Nachrichten 488 April-Mai 2021