Der Zaunkönig


Ich wunderte mich seit geraumer Zeit über schmetternde Gesänge aus diversen Büschen und aus dem Wald und fragte mich immer: welch Federtier hat ein solches Organ? Nie fand ich den Verursacher, bis sich eines Morgens ein klitzekleiner Zaunkönig auf unsere Teppichstange setzte und zum Gesang anstimmte.

Nun hatte ich „Caruso“ gefunden und staunte doch sehr, dass einer der kleinsten Vögel Europas derart laut singen kann. Der Zaunkönig (Troglodytes troglodytes), nur etwa

10 cm klein und unverwechselbar, hat seinen Namen nicht von ungefähr: keck stellt er sein Schwänzchen auf und wirkt dadurch recht selbstbewusst, gar „königlich“.

Schon bei Aristoteles und Plutarch wurde er Basileus (König) oder Basiliskos (Königlein) genannt und inspirierte vor über 2.500 Jahren zu der Fabel des Äsop im 6. Jh.v.Chr. In dieser beschlossen einst die Vögel, denjenigen von ihnen zum König zu machen, der am höchsten flöge. Das war der Adler, aber durch eine List konnte er diesen übertreffen, indem er sich auf dessen Schultern setzte. In der Höhe, als dieser müde wurde, flog er selbst weiter, um ihn an Höhe zu übertreffen.

Auch sein Gesang machte ihn schon früh zu einer kleinen Berühmtheit: bis zu 90 Dezibel laut kann der kleine „Caruso“ in verschiedensten Strophen und Trillertönen lieblich singen und die Weibchen betören. Nett beschrieben wurde dies um 1750 in Zedlers Universal-Lexikon: „Dieser kleine Vogel hat eine so starcke Stimme, dass, wenn er anfanget zu singen, man ihn vor einen weit grössern Vogel halten sollte, als er in der That ist. Er ist seines angenehmen Gesangs wohl werth, gefangen und ernährt zu werden.”

Auch William Shakespeare fühlte sich durch den kleinen Zaunkönig aufgrund dessen polygamer Neigungen inspiriert und verewigte ihn in seinem Drama „König Lear“.

Ein kleiner Frauenheld ist er schon, der Zaunkönig. Er bereitet mehrere halbkugelige Nester aus Moos und weichem Material vor und lockt ein Weibchen mit seinem Gesang an. Dieses darf sich dann das schönste Nest für die Aufzucht der Jungen aussuchen. Die anderen Nester werden als „Spielnester“ oder als Übernachtungsplätze genutzt.

Jeden Morgen kurz vor Sonnenaufgang legt das Weibchen je ein Ei, bis etwa fünf bis acht Eier im Nest liegen. Nach etwa 14 Tagen schlüpfen die Kleinen und werden weitere etwa 14 Tage versorgt, bis sie flügge werden. Sie bleiben noch länger als Familienverbund beisammen und werden vor allem von dem mitunter sehr energisch auftretenden Männchen geschützt. Diese vertreiben durchaus auch mal Eichhörnchen oder Katzen. Kaum zu glauben, nicht wahr?

Abschließend gibt es noch zu berichten, dass Zaunkönige sich sehr über ein bisschen „Wildnis“ im Garten freuen – wie so viele Tierarten. Sie lassen sich dort nieder, wo die Hecke nicht immer akkurat geschnitten und das Laub in einem Winkel des Gartens auch mal liegengelassen wird. Auch im Winter kann man ihnen und anderen Vogelarten Futter bieten, indem man Samenstände einfach stehenlässt und nicht stutzt. Und vielleicht sitzt dann im nächsten Frühjahr so ein kleiner „Caruso“ bei Ihnen im Garten und trällert nach Leibeskräften nach dem einen Weibchen. Oder dem anderen.

Stefanie Pietsch

Quellen: Der Zaunkönig: Kleiner König der Vögel – NABU/ Zaunkönig – Wikipedia

(Übernommen aus  Landwasser Nachrichten Ausgabe 491, Okt./Nov. 2021)


Ein Beitrag aus unserer Serie zum Moosweier, siehe www.buergerverein-landwasser.de/moosweiher-blog  .