1000 Jahre Moosgarten (III)

Der Mooswald im Bereich den heutigen Landwasser war als sumpfiges Waldgebiet für lange Zeit kein Raum, der sich zur Besiedlung anbot: schon allein wegen der Mücken, die nicht nur lästig, sondern in früheren Zeiten auch noch viel stärker Krankheits-Überträger waren. Als Beitrag zur Festschrift “25 Jahr Freiburg-Landwasser” (1991) erarbeitete Rolf Ehler einen Rückblick auf die früheren Jahrhundert der Nutzung des “Moosgartens”, also des Bereichs, im dem der heutige Stadtteil Freiburg-Landwasser liegt (Einzelexemplare der Festschrift im Archiv des Bürgervereins). Nachfolgend Auszüge aus dem Beitrag von Rolf Eilers (Teil 3).

Fischweiher und Fischbestand

Im Jahre 1794 war der „Lehener Weyer“ als einziger Fischweiher auf städtischem Gebiet verblieben. Ab 1799 wurde er an den städtischen Fischermeister Jakob Moser vom städt. Waldamt verpachtet und mit 2100 Karpfen übergeben. Am 8.10.1805 bat die Witwe Franziska Moser um Pachtnachlaß, weil die ın Lehen einquartierten kaiserlichen sowie französischen Truppen in dem
See „nach Herzenslust“ gefischt hatten; dem Antrag wurde entsprochen. Für die weitere Verpachtung fanden sich jedoch keine „Pachtliebhaber“, so daß der Fischweiher für eine wesentlich geringere Pacht an den Sohn Johann Nepomuk Moser und einen Verwandten namens Josef Moser aus Freiburg ab 1808 abgegeben wurde. Am 3.2.1805 machte die Gemeinde Lehen, die sıch 1587—1810 im Eigentum der Stadt Freiburg befand, an den „Wohllöblichen Magistrat! Gnädige Herrschaft!“ folgende Eingabe:

„Unierzeichnete Gemeinde zu Lehen bittet gehorsamst um gnädige Abhilfe in Hinsicht des städtischen Weyers zu Lehen: sie unterstützt ihre Bitte mit folgenden Gründen:

  1. Dieser Weyer liegt gegen Norden, gerade also gegen jene Himmelsgegend, woher wir gesunde und reine Lebens-Luft erwarten; aber durch dieß stehende faule Wasser, durch dise Wassergrube, erhalten wir eine verdorbene, mit Krankheits-Stof geschwängerte Luft; daher kömt — nach dem Urtheile der Aerzte — meistens das hartnäckige Fieber, welches so zu sagen, dabier zu Hause ist, diese Orts- oder Endemische Krankheit (= Wechselfieber in Sumpfgebieten).
  2. Dieß siehende Wasser ist nachtheilig den nahe dabey liegenden Reben, weil die aufsteigenden Dünste sich im Frühlinge gar bald in Reifen verwandeln — wie die traurige Erfahrung lehret — und die Hofnung für ein ganzes Jahr rauben.
  3. Dieser Weyer ist nachtheilig der städtischen Waldung, wie jeder Augenschein beweißen wird, indem auf einem großen Distrikt kein anderes Holz, als etwelche Birken wachsen; durch Ableitung dieses Weyers würde man eine bessere Holzgattung, und ein schönes Mattfeld gewinnen. Ein wobllöblicher Magistrat und gnädige Herrschaft beliebe diese Gründe zu beherzigen, und der gehorsamen Bitte ihrer getrenen Unterthanen zu willfahren.“

Obwohl am 12. 7.1806 das städtische „Waldamt“ die Trockenlegung für die Gesundheit der angrenzenden Gemeinden befürwortete und die Umwandlung in ein „Grasfeld“ vorschlug, wurde der Plan erst im Jahre 1827 ausgeführt. Am 25. April wurde der See mit 5,9 Ztr. entfischt und am 1. September trockengelegt. Anschließend sind von Georg Lindinger und Martın Weisel aus Lehen Abzugsgräben angelegt worden. Denn der Vogelbach, das Weıher- und Eichbächle mußten nun am See vorbeigeführt werden und wurden auf dem Gelände des AWO-Seniorenheimes vereinigt (s. Stadtplan 1962). Diese Arbeiten konnten erst am 12. 7. 1828 abgeschlossen werden.

Von dem Betzenhausener Ortschronisten Dr. Franz Flamm konnte ich erfahren, daß über den noch bestehenden Mühlenbach auch nach der Kanalısierung der Dreisam, die ab 1817 nach den Plänen des Rheinkorrektors Johann Gottfried Tulla (1770—1828) ausgeführt wurde, Dreisam-Wasser auch über das Lehener Weiherschloß sowie über die Bleiche in Lehen {woran die – Straße „Auf der Bleiche“ erinnert) nach Landwasser geflossen ist. Auf diese Weise läßt sich erklären, weshalb bis zur Rodung 1966 über das Weiherbächle auch durch den Häherweg noch Dreisam-Wasser floß.

Außer dem Fischweiher hatten auch die Bachläufe im nördlichen Mooswald zumindest zum Teil einen guten Fischbestand in, den früheren Jahrhunderten zu verzeichnen, Der älteste Beleg ım Stadtarchiv berichtet über die Weiterverpachtung: An Ostern 1520 har Moritz Has die „Bech im mof empfangen“ für jährlich 5 Pfund (= 240 Pfennige) Pacht. „Und soll er die bech haben, wie solichs von alter her kommen ist“. Dieser Hinweis deutet darauf hin, daß die Bäche schon seit Jahrhunderten zum Fischen verpachtet worden sınd. Im Jahre 1786 wird berichtet, daß die Bäche im nördlichen Mooswald „reichlich mit Fischen versehen“ waren. Und 1790 werden dıe sechs Bäche, die aber stets nur an einen Pächter abgegeben wurden, erstmals namentlich aufgelistet:
Landwasser, Hochdorferbach, Lausbühlbach, Brurbach, Scheidbach, Maltersbach. Die „waldamtliche Aufsicht“ über den ab 1799 verpachteten „Lehener Weier“ und die Fischbäche unterstand dem Förster im „Amt Leben“, welcher im Lehener Weiherschloß in der Bundschuhstraße residierte. Er hatte auch die Entenjagd auf dem Fischweiher zu überwachen, die jedoch nicht dem Fischpächter,
sondern nur dem Jagdpächter im Herbst 6 Wochen lang erlaubt war. Schließlich wurde 1786 der Fröschefang in den sechs verpachteten Fischbächen bei Strafe untersagt. Insbesondere hatte der Lehener Förster die Bauern aus den angrenzenden Gemeinden Denzlingen, Vörstetten und Gundelfingen am Froschfäng zu hindern. Daraus ist der Schluß zu ziehen, daß schon damals Frösche unter Naturschutz gestellt worden sind. Zuletzt wurden die Mooswälder Bäche 1871—92 an die Badische Gesellschaft für Fischzucht verpachter, anschließend erschien sie nicht mehr lohnenswert.

Zur Umgestaltung des Fischweihers ın eine Wiesenmatte wurde vergeblich ein „Entrepeneur“ gesucht; für die „Beurbarung“ wollte die Stadt einige Jahre auf Pacht verzichten. So überließ die Forstverwaltung den Fischweiher seinem Schicksal, der außer einer Winterlinde ım Alter von ca. 300 Jahren überwiegend mit Erlen bewaldet und von Eichen im Alter von ca. 150 Jahren umsäumt ist. Noch im Frühjahr 1969—71 stand die Mulde des trockengelegten Fischweihers sowie der „Saubach“ an der Grenze zum heutigen Lehener Friedhof unter Wasser. Erst durch die Bebauung des Eulenwegs ist der See völlig ausgetrocknet.

Aus Gewann-Namen wurden Straßen

Zum Glück sind die Landwasser Gewann-Namen trotz Bebauung nicht verschwunden; sie wurden frühzeitig als Straßennamen im Stadtteil Mooswald (bis 1965 „Freiburg-West“) verwendet und sind bereits im Stadtplan von 1962 enthalten:

  • Am Eichbächle / Obere Lachen
  • Am Rotschachen / Untere Lachen,
  • Am Vogelbach / Lachendämmle.

Die Straße „Am Landwasser“ — benannt „nach dem unweit entspringenden Gewässer“ — mußte allerdings wegen der Verwechslungsgefahr mit unserem Stadtteil 1966 zu „Am Hertweg“ umgetauft werden. So fehlt nur der Hagenmatt-Schachen als Straßen- oder Wegbezeichnung. Dagegen wurde wahrscheinlich auf eine Straße „Am Weierbächle“ deshalb verzichtet, weil es bereits einen Weierweg im Stadtteil St. Georgen gibt.

Besiedlung

Das älteste Gebäude in unserem Stadtteil war das 1871 an der Breisacher Bahnlinie errichtete Schrankenwärterhaus bei dem Haltepunkt in Landwasser-Mitte. Im Freiburger Adreßbuch war es unter „Elsässer Straße 151“ zu finden, auch als die Wirthstraße schon bestand. Im Jahre 1976 bekam es die Anschrift „Wirthstr. 1* und noch bis 1979 war es von einem Schrankenwärter bewohnt (die Hühner liefen den Spaziergängern stets über den Weg, der Radfahrer mußte ıhnen ausweichen). 1982 wurde das leerstehende Schrankenwärterhaus leider abgerissen. Im Jahre 1979 wurde nach dem Auszug des letzten Schrankenwärters die Bahnschranke durch eine Warnblinkanlage ersetzt.

Während ich bisher davon ausging, die Baumschule Clemens Vonderstraß, Humbergweg 14, würde wegen ihrer Abkapselung (z. B. hohe Tuja-Hecke) vollständig auf Lehener Gemarkung liegen, führt eine präzise Betrachtung auf allen Stadtplänen ab 1962 zum Ergebnis, daß der „Saubach“ auf dem Areal der Baumschule weiterhin die Gemarkungsgrenze bildet. Hinter den letzten Grundstücken am oberen Bussardweg ist der Bachverlauf noch erkennbar. Im Bereich der 1935 errichteten Pferdeställe sowie Pferdekoppel der Baumschule, die eindeutig auf Freiburger Gemarkung liegen, wurde der Bach längst zugeschüttet. Somit dürften die Pferdeställe jetzt die ältesten Gebäude unseres Stadtteiles sein. Viele Bewohner wissen auch zu berichten, daß der angrenzende Teil der Landwassermatten sowie des Hagenmattschachen ım Bereich des Bussardweges in den ersten Jahren nach 1966 von der Baumschule Vonderstraß noch als Erdbeerplantagen genutzt wurde.

Auch der Bereich des „Roten Otto“ war vor der Gründung unseres Stadtteils bereits für kurze Zeit besiedelt. An dieser Stelle hatte 1961 die Ortsgruppe Freiburg-West des „Vereins für Deutsche Schäferhunde“ eine neue Heimat gefunden. Im Sommer 1964 mußte der Verein in ein Gelände auf der Gemarkung Lehen südlich der Dreisam ausweichen. Das Vereinsheim beim „Roten Otto“ wurde zur Baubaracke umgewidmet.

Nach dem Beschluß des Gemeinderates am 28. 4, 1964 zur Errichtung des Stadtteils Landwasser mit 10.000 Einwohnern als wesentlichen Beitrag zur Beseitigung der großen Wohnungsnot, folgten im Herbst 1964 die erforderlichen Erschließungsmaßnahmen. Am 30. 3.1965 konnten den Siedlungsgesellschaften ihre Baugebiete zugewiesen werden. Wer in der Zeit von 1966 bis 1969 seinen Freunden und Nachbarn erzählte, er werde nach Landwasser umziehen, wurde damals für ‚verrückt‘ erklärt: „Was, Sie wollen in dieses Schnakennest ziehen, wie wollen Sie das bloß dort aushalten?“

Auf welche Weise das Schnakenproblem gelöst wurde, hat Forstdirektor Hugo Ritter in seinem Artikel „Jungborn für müde Großstädter“ im „Freiburger Almanach“ 1967 beschrieben: „Im Gegensatz zum Bergwald hat der Mooswald bisher für den Erholungs- und Spaziergängerverkehr nur eine untergeordnete Rolle gespielt. Das hat hauptsächlich seine Ursache darin, daß bei der ursprünglichen Vernässung des dortigen Auewaldes die Schnakenplage während des Sommers eine unangenehme Belästigung darstellte. Im Frühjahr, bevor die Schnaken kommen, ist der dann besonders reizvolle Auewald allerdings schon immer beliebtes Ausflugsziel von Kennern gewesen. Im Zuge der Ausdehnung der Stadt nach Westen wird aber dem nach der starken Wald-Inanspruchnahme … verbleibenden Anteil des Mooswaldes künftig eine ungleich größere Bedeutung für den Erholungs und Spaziergängerverkehr zukommen, zumal durch die immer stärkere Grundwasserabsenkung die Schnakenplage mehr und mehr verschwindet.“

Zusammenfassend läßt sich sagen, daß der Mooswald im Bereich von Landwasser bis zum Baubeginn im Herbst 1964 ım Laufe der Jahrhunderte durch die Waldbewirtschaftung einem steten Wandel unterworten war. Es fand nicht nur ein Wechsel von Abholzung und Wiederaufforstung statt. Vielmehr war der Mooswald zeitweise auch durch Wiesenmatten zur Viehnutzung aufgelockert oder er bestand aus lichten Auwäldern.

Mit seiner reichhaltigen Tier- und Pflanzenwelt hat er dem Menschen ein ertragreiches Wirtschaftsgebiet geboten, so daß er zurecht in früheren Jahrhunderten nicht „Mooswald“, sondern „Moolsgarten“ genannt worden ist.

Rolf Eilers

 


Literatur:

Rolf Eilers, 20 Jahre Nachbarschaftsgemeinschaft „Müllbox a G“, Häherweg, S. 3–19 (1989)

Bürgerl, Schematismus der Hauptstadt Freyburg im Breysgau 1798 (ältestes Adreßbuch), $. 9 Waldamt

Archivalien des Stadtarchivs Freiburg:

  • C2,37/7 Visitation, Taxätion u. Revision der Stadtwaldungen (1832—90)
  • C1 Grenzen u. Marken. 4 (1582-1752): Bannstein u. Lochen, Visitation der Freiburger Stadtwaldungen de 1582.
  • C2,74/1 Grenzen u. Markungen. Katastervermessung Gemarkung Freiburg (1876/91)
  • C1 Nr. 5 Fischweiher (1790—1834)
  • C1 Fischerei 1 Nr. 16 (1808—20)
  • C1Nt. 2 Fischerei (1404—1809)
  • C1 Nr. 4 Fischbäche im Mooswalde (1786—-1812)
  • C 1 Die Fischweier zu Lehen u. Birkenreutte (1790— 1815)
  • C2,35/1 Fischerei- u. Jagdsachen. Die Verpachtung der städt. Fischwasser (1853/92).

Entnommen aus Festschrift “25 Jahr Freiburg-Landwasser”, 1991 (Einzelexemplare im Archiv des Bürgervereins).